Kritischer Stadtrundgang zur Videoüberwachung in Darmstadt
Der Widerstand gegen die Installation einer Videoüberwachungsanlage mit 15 Kameras auf dem Luisenplatz konkretisiert sich. Am vergangenen Mittwoch, den 29.1.2020 kamen in den Räumlichkeiten des Chaos Computer Club Darmstadt mehr als 20 Organisationen zusammen, um über ein gemeinsames Vorgehen zum organisierten Protest in den kommenden zwei Wochen zu beraten.
Als erste Veranstaltung lädt das Bündnis nun für Donnerstag, den 06.02. um 17 Uhr zu einem kritischen Stadtrundgang zum Thema ein.
Treffpunkt ist der Karolinenplatz südlich des Stadtarchivs. Der Stadtrundgang führt durch den Herrngarten an der mobilen Videoüberwachungsanlage vorbei, die den Bereich vor der Sucht- und Drogenhilfe Scentral des Diakonischen Werkes überwacht. Es folgt eine Kundgebung an der Arkade der Grundrechte. Denn insbesondere die geplante Videoüberwachung auf dem Verkehrsknotenpunkt Luisenplatz, auf dem regelmäßig Demonstrationen und Kundgebungen stattfinden, greift tief in diese fundamentalen Rechte ein, auf denen unsere Demokratie fußt. Ziel des Stadtrundgangs ist der Luisenplatz, wo die konkreten Pläne zur dort geplanten Videoüberwachung im Mittelpunkt stehen.
Dort wird die geplante Überwachungstechnik zusätzlich zu den Einmalkosten von rund 400.000 Euro Betriebs- und Folgekosten in unbekannter Höhe verursachen – ohne dass ein konkreter Nutzen und eine tatsächliche Notwendigkeit der Maßnahme ersichtlich sind. Zugunsten einer herbeifantasierten „Erhöhung des subjektiven Sicherheitsgefühls“ gefährdet die Darmstädter Politik nicht nur die grundrechtlich geschützte Versammlungsfreiheit, sondern schafft weitere technische Überwachungskapazitäten und nimmt deren Missbrauch billigend in Kauf. Erst im August letzten Jahres wurden Missbrauchsfälle in der Hessischen Landespolizei bekannt , bei denen Beamte ihren dienstlichen Zugang zum Polizei-Auskunfts-System POLAS immer wieder auch für private Auskünfte genutzt hatten. So kam es auch zu missbräuchlichen Datenabfragen mit rechtsextremem Hintergrund im Kontext des „NSU 2.0“, mit denen unter anderem die türkischstämmige Frankfurter Anwältin Seda Başay-Yıldız bedroht wurde. Auch am gestrigen Dienstag wurden Fälle von Datenmissbrauch bei der Polizei in Mecklenburg-Vorpommern bekannt . In der aktuellen Magistratsvorlage zur geplanten Videoüberwachung des Luisenplatzes ist nicht einmal die Anmeldung mit einer individuellen Nutzerkennung vorgeschrieben. Es fehlt ein Sicherheitskonzept. In der Fachausschusssitzung am vergangenen Donnerstag wurde zudem bekannt, dass die Sichtung des Videomaterials vom vorhandenen Personal ‚mitgemacht‘ werden solle. Man wolle in den Polizeidienststellen ‚einfach einen weiteren Monitor aufstellen‘. „Mit dem aktuellen Nutzungskonzept ist die Vorlage völlig untragbar. Die Videoüberwachung wird nicht zur tatsächlichen Sicherheit auf dem Luisenplatz beitragen“, kritisiert Tobias Kratz, Mitglied des Studierendenparlaments der TU Darmstadt.
Bereiche, die aus rechtlichen Gründen nicht aufgezeichnet werden dürfen (z.B. Außengastronomie) sollen lediglich verpixelt werden. Unklar bleibt, wie sichergestellt wird, dass diese Bilder nicht aufgezeichnet und 10 Tage gespeichert werden, wie dies für das übliche Videomaterial der Fall ist. „Wir halten es für sehr wahrscheinlich, dass eine Rekonstruktion des Bildmaterials der Außengastronomiebereiche aus den gespeicherten Aufzeichnungen möglich ist“, ergänzt Marco Holz vom Chaos Computer Club Darmstadt.
Mit der Installation der Videoüberwachungsanlage soll die Firma Dallmeier beauftragt werden. Laut einer Produktbroschüre des Herstellers ist in der eingesetzten Software auch eine Gesichtserkennung eingebaut . Die Nutzung dieser umstrittenen Technologie wird in der Magistratsvorlage nicht explizit ausgeschlossen. „Sofern keine rechtlichen Regularien greifen, wird man in der Praxis sicherlich nicht auf die Möglichkeit verzichten, Personen über einen Zeitraum von 10 Tagen wiederzuerkennen. Das ermöglicht die Erstellung von Bewegungsprofilen aller Personen, die regelmäßig auf dem Luisenplatz unterwegs sind“, warnt Cedric Shahabi vom Chaos Computer Club Darmstadt.
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